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admin_j

(Mitglied)

Hallo goska9,

natürlich wurde die halbe Marke aufgehoben. Es war ja auch immer Post aus fernen Ländern. Zudem sind die Marken gut dokumentiert und praktisch jedes gehandelte Stück wurde einmal irgendwo abgebildet.

Nimm den Sachsendreier. Scheinbar gibt es unbegrenzte Mengen. Dabei tauchen immer wieder Stücke auf, die schon in einem der Handbücher abgebildet sind. Nicht die Stückzahl ist so hoch, sondern die Zahl der Abbildungen von interessanten Objekten.

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23.05.17, 12:54:59

Otjikururume

(Mitglied)

Zitat von Lubecensis:
Ich habe jetzt nur diese Angabe gefunden (im einschlägigen Wikipedia-Artikel):
"Am 6. April [1901] trat die Vineta von Trinidad aus eine Reise entlang der südamerikanischen Küste bis zum Río de la Plata an, die bis zum 1. August dauerte."

Letztendlich ist das aber auch egal, für mich gehört dieses "Vineta-Provisorium" in die Kategorie "Kinderpost-Spielerei" bzw. Aprilscherz.


Viele Grüße

Lubecensis


Es ist in der Tat so, dass die Entstehung zweifelhaft ist, denn angeblich diente der halbierte Marke mit dem 3-Pf-Aufdruck-Handstempel ja ausschließlich der Versendung von Zeitungen, in denen über die Feier des Geburtstages des Kaisers bei deutschstämmigen Amerikanern in New Orleans, zu der die Schiffsbesatzung eingeladen war, berichtet wurde und die die Seeleute nach Hause schicken wollten. Drucksachenversand sah die Schiffspost eigentlich nicht vor, weshalb keine Marken zu dem dafür gültigen Portowert von 3 Pfennig an Bord gewesen sein sollen. Deshalb hat angeblich der Marine-Oberzahlmeister Wagner der Länge nach 300 Stück 5-Pfennig-Marken (Michel-Nr. 55) halbiert und die 600 entstandenen Marken wurden ohne Beanstandung verwendet.

Genau hier beginnen die Fragen, die man auch mal stellen muss:
1. Welche Zeitung sollte von den Matrosen 600fach nach Deutschland verschickt werden, in der angeblich über Kaiser´s Geburtstag berichtet worden sein soll und die in New Orleans erschienen sein soll? Es gab 1901 in New Orleans nur noch eine deutschsprachige Zeitung, nämlich die "New Orleanser deutsche Zeitung" in einer Auflage von wenigen 1000.
2. Am 1. April 1901, also dem Tag der Entstehung des Provisoriums, lag die SMS Vineta in der südlichen Karibik, wohl vor Trinidad, also rund 3700 km Luftlinie von New Orleans entfernt. Wie sollen dort 600 Zeitungen aus New Orleans hingekommen sein, die dort unter den 477 Mann Besatzung einen solchen Gefallen erregt haben, dass sie unbedingt per Drucksache nach Deutschland geschickt werden mussten?
3. Ich glaube an vieles, aber nicht an den umfassenden Bildungshintergrund von hunderten Matrosen, Seesoldaten und Schiffsjungen, die Allerweltszeitungen massenhaft regelmäßig nach Hause schicken. Das wäre auch aus jedem Hafen problemlos möglich gewesen. Leider ist es mir nicht gelungen, eine Ausgabe von Ende Januar 1901 ausfindig zu machen, aber es ist durchaus wahrscheinlich, dass "Kaiser´s Geburtstag" auch in New Orleans gefeiert wurde. Immerhin habe ich im Archiv die Speisekarte eines Festbanketts, wozu am 26.01.1901 im New St. Charles Hotel in New Orleans die Offiziere der SMS Vineta geladen waren. Kapitän da Fonseca-Wollheim hat sogar ausweislich des Festprogramms eine Ansprache gehalten. Die Vineta war also tatsächlich zu Kaiser´s Geburtstag am 27.01.1901 in New Orleans.
4. Es gibt eine ordentliche Zahl an Mehrfachfrankaturen, mit teilweise bis zu 5 Exemplaren. Welchen Sinn sollen diese gehabt haben und hatte das Paar einen Frankaturwert von 5 Pfennig, oder von 6 Pfennig? Falls letzteres, wie hat der Zahlmeister den Zusatzpfennig verbucht? Faktisch wurden 300 5-Pf.-Marken im Reichspost-Portowert von 15 Reichsmark zu 600 3-Pf.-Marken mit Frankaturkraft von 18 Reichsmark, ein Wertzuwachs von 20% aus dem Nichts.
5. Ist jemals ein komplettes Streifband mit dem Vineta-Provisorium, möglichst auch mit der Zeitung, bekannt geworden?
6. Auf Streifbändern werden Poststempel normalerweise nicht so gut abgeschlagen. Klare Stempel deuten also eher nicht auf echten Bedarf hin, wenn sie häufiger vorkommen.
7. Warum nahm zum der mit der Abstempelung der Marken betraute Obermaat auch mit zwei oder mehreren Markenhälften frankierte Postkarten und Briefe an, obwohl hierfür reguläre Marken zur Verfügung standen?


Aus diesen Gründen vermute ich einen erheblichen Missbrauch, insbesondere durch den Postdienst verrichtenden Obermaat der SMS Vineta. Es ist ja anscheinend hinlänglich bekannt, dass er nach Rückkehr in die Heimat Überdruckfälschungen angefertigt und mit dem echten, rückdatierten Schiffspoststempel entwertet hat, zu dem er offenbar noch immer Zugang hatte. Hier kommt die "Kinderpost" ins Spiel, zumal die Reichspost die Ausgabe nie anerkannt und solches Vorgehen explizit verboten hat. Eigentlich war schon damals bei Markenmangel Barfrankierung vorgeschrieben. Andere Halbierungs-Provisorien haben ja ähnliche Geschichten.

Gruß
O.


Dateianhang (verkleinert):

 XXX_Vineta_Festbankett_New-Orleans_1901_S01.jpg (368.02 KByte | 14 mal heruntergeladen | 5.03 MByte Traffic)

Dateianhang:

 XXX_Vineta_Festbankett_New-Orleans_1901_S03.jpg (323.67 KByte | 3 mal heruntergeladen | 971.01 KByte Traffic)

23.05.17, 13:10:21

tokahai

(Mitglied)

Kurz nach dem Bekanntwerden der Marken wurden sie von Händlern stark gesucht und auch gut bezahlt. Das erklärt, das verhältnismäßig viele erhalten sind. Es tauchten zeitnah diverse Fälschungen auf, vor denen in den zeitgenössischen Publikationen auch gewarnt wurde. Normalen Sammlern kannten die echten Marken nicht und so wanderten die Fälschungen in die Alben.
23.05.17, 13:20:53

Otjikururume

(Mitglied)

Zitat von admin_j:
Hallo goska9,

natürlich wurde die halbe Marke aufgehoben. Es war ja auch immer Post aus fernen Ländern. Zudem sind die Marken gut dokumentiert und praktisch jedes gehandelte Stück wurde einmal irgendwo abgebildet.

Nimm den Sachsendreier. Scheinbar gibt es unbegrenzte Mengen. Dabei tauchen immer wieder Stücke auf, die schon in einem der Handbücher abgebildet sind. Nicht die Stückzahl ist so hoch, sondern die Zahl der Abbildungen von interessanten Objekten.


Ist denn hinlänglich bekannt, wie viele Exemplare der Marke tatsächlich erhalten geblieben waren? Die Auflage war ja angeblich 600 und der Bedarf wurde damit begründet, dass die 477 Mann Besatzung der Vineta eine bestimmte Zeitung als Drucksache in die Heimat verschicken wollen und dafür 2 Pfennig mehr nicht bereit waren auszugeben. Wie viele Streifbänder dieser seltenen "New Orleanser deutschen Tageszeitung", die in Deutschland von keiner einzigen Bibliothek geführt oder archiviert wurde, mögen damals vor Trinidad tatsächlich bedarfsmäßig versandt worden sein? Hauptkundschaft dürften wohl doch die Offiziere des Schiffs gewesen sein, die am genannten Festbankett Ende Januar in New Orleans teilgenommen haben. Dass es viele Matrosen und Seesoldaten und deren deutsche Verwandtschaft so brennend interessiert hätte, dass sie umgehend noch von der Reise darüber informiert werden mussten, kann ich mir nicht so recht vorstellen. Damit wären wir bei einem recht geringen angenommenen Bedarf von wenigen 10er Exemplaren. Und jetzt wäre noch zu erklären, wie viele von diesem bedarfsmäßigen Zeitungsversand tatsächlich in Sammlerhände geraden sein könnten. Klar, damals war in Offiziersfamilien das Briefmarkensammeln vermutlich weiter verbreitet als heute, aber dennoch kann es sich nur um eine kleine Menge ECHTER Bedarfstücke handeln, sicher nicht mehr als niedrig zweistellig.

Den Rest würde ich dem Obermaat in die Schuhe schieben. Ob so etwas sammelwürdig ist, mag jeder für sich selbst entscheiden. Philatelistisch handelt es sich wohl um eine Grauzone und wer viel Geld dafür ausgeben möchte, der möge das tun.

Ich sage nur eines: das von mir hier präsentierte (eingescannte) Festprogramm von dem Bankett in New Orleans mit den Offizieren der SMS Vineta am 26. Januar 1901 dürfte weit weit seltener sein, als das Vineta-Provisorium.

Horrido!
23.05.17, 13:27:25

erron

(Mitglied)

Vom Schwaneberger Verlag erschien im Jahre 1999 ein 16 seitiges Büchlein über die Hintergründe dieses Provisorium.

mfg

erron
Dateianhang (verkleinert):

 Vineta Provisorium.jpg (225.78 KByte | 23 mal heruntergeladen | 5.07 MByte Traffic)

23.05.17, 13:38:33

Otjikururume

(Mitglied)

geändert von: Otjikururume - 23.05.17, 14:05:46

Zitat von stampsteddy:
Hallo Goska,

die Angabe "zwei Wochen" war nur beispielhaft. Wann die in der Literatur erwähnten mutmaßlichen Rückdatierungen genau erfolgten, ist dort nicht beschrieben. Wenn aber im Jahre 1901 noch der Handüberdruckstempel fleißig gebraucht wurde, dann kann man auch davon ausgehen, dass es sich dann um recht zeitnahe Rückdatierungen handelt.

Vor einigen Jahren hatte ich mich schon einmal mit der Materie beschäftigt und auch ein kleines Bildarchiv angelegt gehabt. Dieses ist aber glaube ich einem Computercrash zum Opfer gefallen (habe jetzt nicht auf Sicherungsträgern nachgesehen). Aber es ist auch kein so großes Problem, ein neues anzulegen. freuen

Nachstehend Vorder- und Rückseite des Auktionskatalog 126. Edgar Mohrmann-Auktion aus dem Jahre 1968. Auf der Titelseite wird der Kreuzer "Vineta" gezeigt, 5800 t Gewicht, 110 m Länge.

MfG
Markus


Interessant sind die auf der Rückseite abgebildeten beiden "Briefe" (Drucksachen oder Streifbänder) an Dr. zur Verth in Telgte. Dabei dürfte es sich wohl um den späteren bekannten Tropenarzt und Hamburger Professor Max zur Verth (1874-1941) handeln, der 1898 in Berlin mit einer Dissertation zur "Sprunggelenkresektion nach Mikulicz-Wladimirow" promoviert wurde und nach dem Ersten Weltkrieg mit einer Schrift zu den Lazarettschiffen sowie diversen Publikationen zur Schiffs- und Tropenhygiene und -krankheiten bekannt wurde. Von der Provenienz her könnten diese beiden Belege tatsächlich echt und Bedarf sein. Dennoch ließe sich aber auch fragen, warum - der Schrift nach - ein und derselbe Absender ausweislich des Stempels an ein und demselben Tag (mindestens) zwei unterschiedliche Drucksachen an Dr. zur Verth nach Telgte geschickt hat? Sind noch mehr Vineta-Provisorien an diese Anschrift bekannt?

Gruß
O.
23.05.17, 14:04:08

Otjikururume

(Mitglied)

geändert von: Otjikururume - 23.05.17, 16:17:22

Nach Durchsicht von ein paar Auktionskatalogen komme ich zu dem Schluss, dass an Herrn Dr. Max zur Verth noch mehrere Vineta-Provisorien auf Streifbändern geschickt wurden und zwar zu weiteren Daten aus unterschiedlichen Häfen. Das hier abgebildete Stück stammt vom 10.07., da lag die Vineta vor Rio.

Für mich ist kaum noch nachvollziehbar, dass die gleiche Zeitung über Monate hinweg mehrfach an die gleiche Person geschickt worden sein soll. Sämtliche Belege an zur Verth sind für mich im besten Fall philatelistisch inspirierte Mache, kein reiner Bedarf. Alle diese Stücke sind hervorragend gestempelt, quasi makellos, ohne nennenswerte Beförderungsspuren und mehrfach echt geprüft. Für mich sehr fragwürdig... aber das ist nur ein Gefühl.

Dateianhang:

 XXX_Vineta-Prov_1901-07-10.jpg (113.39 KByte | 9 mal heruntergeladen | 1020.49 KByte Traffic)

23.05.17, 16:13:06

Otjikururume

(Mitglied)

geändert von: Otjikururume - 23.05.17, 16:18:38

Dann auch noch an den gleichen Adressaten vom gleichen Tag und gleichem Absender (ausweislich der identischen Handschrift), diesmal wohnhaft in Bielefeld:

Dateianhang:

 XXX_Vineta-Prov_1901-07-10_Bielefeld.jpg (63.48 KByte | 10 mal heruntergeladen | 634.83 KByte Traffic)

23.05.17, 16:18:06

stampsteddy

(Gast)

Zitat von admin_j:
... Mir fehlt vielleicht ein bisschen dunkleres violett. ... ich hatte extra ein weiteres Stück gezeigt auf dem auch mehr dunkleres violett zu sehen ist. ...

Hallo Jürgen,

bei Handstempelüberdrucken ist kein Abdruck gleich dem anderen in der Tönung der Überdruckfarbe. Dies liegt an der Farbsättigung, welche von Abdruck zu Abdruck verloren geht. Soll heißen, eine etwas abweichende Farbtönung, ist kein Indiz für Falschheit.

Beispiel: man nehme ein Blatt Löschpapier und mache einen starken Tintenkleks darauf, diesen verwische man mit einem Finger. Ein Farbstreifen entsteht, welchen man in mehrer Teile zerschneidet. Sieht man sich die einzelnen Teile an, dann glaubt man, aufgrund der unterschiedlichen Farbsättigungen, verschiedene Farben zu sehen.

Diesen Sachverhalt kann man sehr gut an Briefen aus Karlsbad, Reichenberg und aus Maffersdorf nachvollziehen, auf denen mehrere Handstempelüberdruckmarken aufgeklebt sind und diese nacheinander auf solchen mit Überdrucken versehen wurden.

Im Insbesonderen sehe ich bei dem sogen. Vineta-Provisorium die Stempelabdrucke mit Daten vom "12/5 01" als besonders kritisch an. Wenn ich Zeit habe, werde ich nachsehen, ob doch noch irgendwo mein kleines Archiv zu finden ist.

MfG
Markus

23.05.17, 16:19:35

Otjikururume

(Mitglied)

geändert von: Otjikururume - 23.05.17, 16:53:24

Ich kann es noch nicht beweisen, aber ich finde es noch heraus, dass Herr Dr. zur Verth im Jahre 1901 vermutlich der Schiffsarzt der SMS Vineta war. Muss nur erst ans "Militärische Wochenblatt" kommen.
23.05.17, 16:21:02
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