Hallo,
an dieser Stelle folgt ein Beitrag von Dr. Udo Groß zur Preußen Nr. 17b, der preußischblauen Marke. Der Beitrag beleuchtet die Farbe aus einem technischen Blickwinkel. Sie zeigt auch objektive Prüfmöglichkeiten für Druckfarben aus anorganischen Pigmenten. Bei den Markenabbildungen der Preußen Nr. 17 hat sich links eine 17a eingeschlichen. Eine dunkle 17b zeige ich noch im nächsten Beitrag.
PREUßISCH
BLAU- Farbverlust als eine Folge von FADING*
Pigmente
von Preußisch Blau und ihr Weg der Farbinstabilität
Von Dr.
Udo Groß, Berlin
EINLEITUNG
Die
Farbe des Preußisch Blau (PB) galt lange als sehr stabil und
farbbeständig bis 1985 durch H. Becker1
Farbinstabilitäten auf A. Watteau’s Gemälde
„Recreation italienne“ gefunden wurden. Obwohl bereits
nach der Entdeckung von Preußisch Blau in Berlin durch J. J.
Diesbach im Jahre 1704 eine Reihe von Malern und Experten das
Ausbleichen der blauen Farbe bemängelten2,
wurde erst vor einigen Jahren das Farbphänomen wissenschaftlich
vertieft mit aufwendigen analytischen und zerstörungsfreien
Methoden untersucht.
Für
die Erscheinung der Farbaufhellung bzw. des Ausbleichens möchte
ich (in Ermangelung eines geeigneteren deutschen Begriffs) den
englischen sehr prägnanten Fachbegriff des Fading als kurz und
zutreffend beibehalten.
Im
Zuge von wissenschaftlichen Pigmentuntersuchungen mit Hilfe der
Röntgenspektroskopie an der schwedischen Skill Banco Ausgabe von
18553
habe ich die blaue 4 Skill Banco Marke, die auch im Mittelpunkt
dieses Artikels steht, untersucht.
DIE
SCHWEDISCHE 4 Skill Banco MARKE PREUSSISCH BLAU
Dr.
Hugo Olsson4
hat in seinem Buch von 1955 die Druckerbedingungen für die erste
schwedische Briefmarkenausgabe beschrieben. Durch technische
Unzulänglichkeiten an Gerät, Pigmenten, Papier und
mangelndem Personal sowie Kapital konnte keine
Bild
1a und b, Facit #2h2,
Front- und Rückseite der 4 Skill Banco
reproduzierbare
Produktion auf einem notwendigen hohen Niveau gewährleistet
werden.
*Fading
bzw. fade, engl. sprich: [feidiη], Verlust von Farbe und Frische
Das
Ergebnis war deshalb die größte Anzahl von Farbtönen,
Nuancen und Druckabweichungen bei Briefmarken dieser Zeit überhaupt5.
Wegen der schwedischen Postreform war die Marke jedoch nur für
drei Jahre im Gebrauch. Der schwedische FACIT 2015 Special Katalog
nennt allein für die 4 Skill banco Marke 21 Farbschattierungen.
Eine weitere Farbnuancierung als ein Ergebnis von Fading des Pigments
Preußisch Blau ist den meisten Spezialisten wie auch Sammlern
allgemein unbekannt. Briefmarken-Prüfer jedoch sollten diesen
Fakt, der zur Ausbildung eines leichten und helleren Blaus führt,
bei ihrer Bewertung bedenken.
Die
Röntgenspektren wurden an einer Marke F2 h2,
katalogisiert nach FACIT Special 2015 als hellblau mit dünnem
Untergrund, aufgenommen. Sie gehört zur Lieferung 8 mit
mittlerer Papierstärke und ist gestempelt am 22. XX 1857 mit dem
Stadtstempel #10 in Gefle.
Röntgen-Spektroskopie:
Prinzip und Experiment
Ein
Elektronenstrahl mit einer Energie zwischen 20-50 keV scannt die
Briefmarke in einem Vakuum von mindestens 10-6
Torr im Bereich von 5x5 mm bis zu 2x2 μm (Verstärkung
200.000). Die Primärelektronen PE wechselwirken mit den Atomen
der Probe. Die reflektierten PE, sog. „backscatter electrons“,
werden mit einem Detektor gesammelt und ergeben die Morphologie (SEM)
des Objekts. Wenn PE aber Elektronen von einer inneren Schale des
Atoms entfernen, wird die Vakanz durch ein Elektron einer höheren
Schale aufgefüllt, wobei die Emission einer typischen
Röntgenstrahlung erfolgt. Jedes Element hat charakteristische
Linien in diesem Röntgenspektrum; der Detektor analysiert die
Energie der Photonen (EDX) entsprechend den Elementen.
Der
Vorteil dieses Verfahrens im Vergleich mit dem sehr ähnlichen
XRF (Röntgenfluoreszenz) besteht darin, dass auch leichtere
Elemente, sog. „low Z elements“, nachweisbar sind.
Ausführliche Darstellung bei U. Groß6.
Die
experimentellen Untersuchungen wurden mit einem Elektronenmikroskop
JEOL 6000 mit EDX-Detektion (Energy
Dispersive
X-ray
spectroscopy) ausgeführt (Bild 2)
Bild
2 Raster-Elektronenmikroskop SEM mit EDX-Einheit
Ergebnisse
Als
Ergebnis der Untersuchung ergibt sich als Druckpigment Preußisch
Blau, nachweisbar durch den Eisen Fe-Peak bei 6,40 keV im Spektrum
von Bild 3. Ebenso erscheinen die leichten Elemente Kohlenstoff und
Stickstoff, Liganden der Cyano-Gruppierung –CN im linken Teil
des Spektrums bei 0,28/0,39 keV.
Preußisch
Blau ist aus chemischer Sicht ein FeIII
hexacyanoferrat II-Komplex, der in 2 Typen auftreten kann:
FeIII 4
[ FeII (CN)6 ]3
14 H2O
(1)
K FeIII [FeII
(CN)6 ]
(2)
Beide sind von
blauer Farbe, aber sie sind unterschiedlich in ihrem
Löslichkeitsverhalten: die ionische Form (2) ist löslich,
die Form (1) dagegen nicht. Das impliziert zwangsläufig Probleme
bei der Herstellung der Druckfarben und der Aufnahme der Farbe auf
dem Papier.
Bild
3 Röntgenspektrum der 4 Skill Banco Marke
Außerdem
zeigt das Spektrum den wichtigen Papierbestandteil Kaolin, ein
hydratisiertes Alumosilikat, Al2O3
2SiO2
2H2O,
wie auch Calciumsulfat und Calciumcarbonat als Füller und
Weißmacher. Preußisch Blau hat eine extreme hohe
Farbstärke, das ein tiefes Blau bis hin zu Schwarz erzeugt.
Deshalb wird es nur selten unverdünnt, also ohne Aufheller,
verwendet. Um ein mittleres bis helles Blau zu generieren, werden
weiße Farbpigmente wie Barium- oder Calciumsulfat, Calcium-
oder Bleicarbonat (Bleiweiß) und andere der Druckerfarbe
zugesetzt.
300
Jahre Preußisch Blau und einige seiner Besonderheiten
Ein historischer
Rückblick
Preußisch
Blau wird über mehr als 300 Jahren synthetisch als ein sehr
populäres Blaupigment hergestellt; zufällig entdeckt 1704
in Berlin von dem Farbenmacher Johann Jacob Diesbach in einem
alchimistischen Prozess unter Verwendung von Ochsenblut, Tieröl,
Horn und ähnlichen Zutaten. Der Name des Pigments hat Bezug zum
Ort der Entdeckung: Preußisch Blau, Berliner Blau, Prussiat.
Weitere Synonyme für das gleiche Produkt sind: Pariser Blau,
Französisch Blau, Milori Blau, Turnbulls Blau und andere mehr.
Sehr
schnell wurde es fabrikmäßig hergestellt, u.a. auch als
vorherrschende Farbe für die Uniformen der preußischen
Armee. Dieser Farbton erreichte symbolische Bedeutung in Preußen
und dem nachfolgenden Kaiserreich.
Bild
4 Preußischer Grenadier in Uniform (Anfang 19. Jahrhundert)
Das
Farbpigment fand schnell Eingang in die Malerei weltweit. Das älteste
bekannte Gemälde mit PB ist die „Grablegung Christi“
von Pieter van der Werff 1709 (Sanssouci, Potsdam). Antoine Watteau
brachte die Farbe von Berlin nach Paris, und diese breitete sich über
die ganze Welt aus, verwendet von berühmten Malern wie
Constable, Canaletto, Monet, v. Gogh und vielen anderen. So malte
Hokusai seine berühmte „Große Welle von Kanagawa“
mit Preußisch Blau, nachdem Japan das Pigment aus Europa
importiert hatte.
Erwartungsgemäß
wurden bereits sehr früh Briefmarken mit Preußisch Blau
gedruckt: so die englische „Two Penny Blue“, die zweite
offizielle Briefmarke überhaupt.
Preußisch
Blau: Decoloration und Fading
In hoher
Konzentration von über 90% ergibt PB in der Malerei ein Tiefblau
bis Schwarz mit hoher Lichtbeständigkeit und ohne Anzeichen von
Fading. Jedoch, wenn es wie normalerweise üblich, stark mit
Weißpigment verdünnt wird ist die Farbstabilität
reduziert und ein Fading wird beobachtet. Im Verlaufe der
Jahrhunderte wurden eine Anzahl von Kommentaren dazu abgegeben2.
Bild 5 Farbtiefe von
Preußisch Blau durch Verdünnung mit Bleiweiß in den
Verhältnissen 1:5, 1:10, 1:20, 1:40, 1:50, 1:100, 1:200, 1:400
(w/w) nach J. Kirby und D. Saunders
Mischt man 1 Teil PB
mit 400 Teilen Bleiweiß erhält man ein leichtes Blau (Bild
5, rechts), das man üblicherweise zum Malen eines „Blauen
Himmels“ benötigt. Der außergewöhnlich hohe
Anteil an Weißmacher bzw. Extender führt zwangsläufig
zu einer starken Erhöhung der Reflexion (des Lichts, hier im
kurzwelligen Bereich mit einem Maximum bei 450-490 nm), was sich in
einer besonderen Wirkung der Farbe ausdrückt.
Bild
5 A. Watteau „Recreation italienne“ mit dem Auftreten
von PB Fading
H. Becker machte
diese Beobachtung in moderner Zeit bei der wissenschaftlichen
Untersuchung des Watteau Gemäldes „Italienische Erholung“
(Schloss Charlottenburg, Berlin). J.Kirby7
untersuchte für die National Gallery London das Fading im
weiteren Sinne und erklärte das Bleichen von PB mit dem Einfluss
von Licht und Anoxia. Auf diesem Gebiet des Schutzes von
Weltkulturerbe ist die Gruppe von Prof. C. Gervais8
in Bern sehr aktiv und führend. Mit Methoden der
Festkörperchemie und aufwendigem High-Tech Equipment wird das PB
Fading wissenschaftlich untersucht (www.gervais.lab).
Physikalisch-Chemischer
Hintergrund des Fading
Bild
6 Kristalstruktur, Elementarzelle von PB (grün: FeII
Atome, pink: FeIII
, schwarz:
Kohlenstoff, blau:
Stickstoff, rot: koordinatives Wasser
Allgemein
gesagt: die Farbe als optische Eigenschaft der Materie ergibt sich
aus der spezifischen Energieabsorption aus dem „weißen
Licht“ der Wellenlängen 800-400 nm. Die Energieabsorption
ist verbunden mit der elektronischen Anregung von Molekülzuständen
unterschiedlicher Art. Im Falle von Preussisch Blau, einem
Hexacyanoferrat (II)-Komplex, ist dies ein Charge-Transfer-Übergang
(CT)zwischen den Eisenatomen FeII
und FeIII
gemäß
h ∙
ν
{
FeIII
─ C≡N ─ FeII
} ← → {FeII
─ C≡N ─ FeIII
}
* (3)
Die
Absorptionsbande liegt bei 680 nm und lässt deshalb das Pigment
in der komplementären Farbe Blau erscheinen.
Dieser
Prozess wird anschaulicher, wenn man die Kristallstruktur des
kubischen Gitters von PB betrachtet. Die Struktur wurde durch
Einkristallstrukturanalyse von Ludi und Mitarbeitern9
1977 aufgeklärt. Die Elementarzelle enthält u.a. 6 Moleküle
koordinativ und 8 Moleküle nicht gebundenen Wassers. Der
Charge-Transfer betrifft eine sog. Metal-Metal-Wechselwirkung der
Klasse II mit einer Bindunsisomerisierung kleiner Energie; d.h.
Elektronendichte wird zwischen den Eisenatomen unterschiedlicher
Oxidationsstufen verschoben. Der Stern in Gl. 3 markiert den
angeregten Zustand nach der Absorption der Energie h ∙ ν.
FeII
hat eine d6
low spin Konfiguration im oktaedrischen Ligandenfeld, während
die Valenzelektronen des FeIII
high spin d5
konfiguriert sind. Die Ähnlichkeit der chemischen Umgebung der
Eisenionen erlaubt energetisch ebenfalls die Anregung der
Valenzschwingung Metall-Ligand Fe-CN.
Der
Prozess der Farbbildung im PB ist begründet in dem Gleichgewicht
gemäß Gl. 3. Wenn jedoch das Gleichgewicht gestört
wird z.B. durch Reduktion von FeIII
(Gleichung 4) oder ähnlichen Vorgängen, findet zwangsläufig
eine Farbabschwächung und Fading zu helleren Blautönen
statt.
FeIII
+ e-
←→ FeII
(4)
Die
Reduktion erfolgt aus unterschiedlichen Gründen dann, wenn ein
Elektronendonator Elektronen zur Verfügung stellt. Weitere
chemische Gründe, die in das chemische Gleichgewicht eigreifen
sind nachgewiesenermaßen Oxidation und Ligandenaustausch von
–CN gegen H2O.
Diese Vorgänge werden durch äussere Bedingungen wie Licht,
Feuchtigkeit und Sauerstoffausschluß initiiert oder verstärkt.
Andererseits
ist, begründet durch vorstehende chemische Fakten, das Fading
unter bestimmten Bedingungen partiell reversibel, d.h. ein Teil des
Farbverlusts kann unter Umständen wiederhergestellt werden.
Wie
erkennt man PB Fading auf Briefmarken?
Preußisch
Blau Fading auf Briefmarken ist nicht einfach erkennbar, weil auch
durch Variation der Druckerbedingungen Farbänderungen machbar
sind. Am überzeugensten für mich ist, wenn man
Farbunterschiede auf einer Druckseite, einem Streifen oder Block
findet. Das bestätigt, dass nicht Druckerbedingungen sondern
andere Prozesse, z. B. Fading, ursächlich sind. Wissenschaftlich
lässt sich dieser Nachweis zweifelsfrei mit aufwendigen
analytischen Verfahren erbringen. Jedoch ist dieser auch finanziell
hohe Aufwand für Briefmarken nur im Einzelfall berechtigt.
Diese
seltenen Fälle müssen dann zu den Raritäten gerechnet
werden. Ein Beispiel dafür ist das (getrennte) Doppel der
hellblauen 4 Skill banco Marke (Bild 7), das von Dr. Mats Ingers
(Stockholm) begutachtet wurde. Die Seltenheit (98.000 SEK) wurde vom
Eigentümer Thomas Larsson (www.samlartorget.se) zur Publikation
zur Verfügung gestellt.
Bild
7 4 Skill Banco, F2K1 Doppel von 1851 mit Fading rechts
Ein
weiteres Beispiel der zahlreichen PB Farbnuancen ist die Preußenmarke
2 Silbergroschen, Mi 17b. Die waagerechten Doppel wurden von Thomas
Dollmann, Oberwinden, zur Verfügung gestellt.
Neben
der dunklen, sehr farbintensiven Marke links, weisen die restlichen
Marken ein mittleres bis helles Blau auf, was auf ein PB Fading
hindeuten kann.
LITERATUR
Hans Becker,
Diplomarbeit 1985, Inst. Technologie der Malerei der Staatl. Akad.
der bildenden Künste zu Stuttgart (zitiert in J. Kirby und D.
Saunders )
Jo Kirby, Nat.
Gall. Tech. Bull. Vol 14, 1993, National Gallery Publications,
London,
Fading
and Colour Changes of Prussian blue: occurrences and early reports.
Udo
Groß, FFE Journal 18, 2016
Hugo Olsson,
Skilling Banco Stamps of Coat of Arms Type, Stockholm 1955, English
translation by Eric Hallar, Postal Museum Communication No. 36
Helena
Obermüller-Wilen, FFE Journal 17, Seite 54, 2014
Udo
Groß, FFE Journal 17, Seite 69, 2014
Jo Kirby and David
Saunders, Nat. Gall. Tech. Bull. Vol 25, 2004,
www.nationalgallery.org.uk/technical-bulletin/
Claire Gervais,
M-A. Languille, S. Reguer, M. Gillet, S. Pelletier, Ch. Garnier,
E.P. Vicenzi and L. Bertrand, J. Analyt. Atomic Spectrometry
28,,1600, 2013
Why does Prussian
blue fade? Understanding the role of the substrate
H.J. Buser, D.
Schwarzenbach, W. Petter and A. Ludi, Inorg. Chemistry 16, 2704,
1977
Danksagung
Der
Autor dankt Herrn Thomas Dollmann von der Bundesarbeitsgemeinschaft
Preußen für die freundliche Bereitstellung der
Preußenmarken (Doppel). Mein Dank gilt ebenfalls dem Prüfer
Dr. Mats Ingers (Stockholm) und dem Eigentümer des F2K1-Doppels
Thomas Larsson (Schweden).
copyright©
2016
by Dr Udo Groß, Berlin (Germany)