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(Administrator)

Hallo liebe Teilnehmer,

herzlich willkommen in diesem neuen Thema.

Versucht beim Schreiben immer sachlich zu bleiben. Drückt euch klar aus, damit jeder Leser versteht, ob ihr Fachwissen teilt oder eure Meinung zu einem Thema sagt.

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Wir wünschen viel Freude am Hobby Philatelie!
28.08.14, 07:45:53

Hornblower

(Mitglied)

Die badischen Essais sind aufgrund ihrer Seltenheit in der Literatur immer stiefmütterlich behandelt worden. Über viele Jahrzehnte hinweg haben die Kataloge teils falsche Angaben oft voneinander abgeschrieben, eine kritische Überprüfung der Stücke, die anhand der Angaben von Carl Lindenberg (1850-1928) und der Bestände des Postwertzeichenarchivs durchaus möglich gewesen wäre, unterblieb.

Wie selten diese Stücke sind, erhellt die Tatsache, dass sich in der berühmten, zehn Bände umfassenden Essai-Sammlung des Leipziger Kommerzienrats Martin Schröder (1856–1913) kein einziges Exemplar befand, obwohl seine Kollektion als die umfassendste seiner Zeit galt und viele sehr seltene Stücke enthielt.

Das nach meiner Feststellung früheste öffentliche Angebot einiger Exemplare erfolgte im Baden-Spezialkatalog der Danziger Firma Holtz & Giebeler. In diesem 1922 erschienenen, mittlerweile sehr selten gewordenen Katalog wurden sieben Werte angeboten und abgebildet. Leider wurden die Abbildungen nicht näher beschrieben, so dass eine genaue Zuordnung nicht möglich ist. In der Beschreibung wird erwähnt, dass diese Stücke „seinerzeit einem bedeutenden Privatsammler für dem Reich geleistete Dienste geschenkweise überlassen worden“ seien. Dieser bedeutende Privatsammler war der Berliner Bankier Oskar Wassermann (1869–1934) gewesen, ein Mitglied des Berliner Philatelisten Klubs und dessen Vorsitzender von 1908 bis 1909. Carl Lindenberg, der Kurator des Museums, hatte dafür gesorgt, dass überzählige Markenessais an ihn geliefert wurden, da dieser dem Museum umfangreiche Schenkungen gemacht hatte, zuletzt die von ihm angekauften Schillingschen Druckstöcke . Da Heinrich Fraenkel (1853-1907) 1904 noch von zwei Exemplaren im Museum schrieb, müssen die Marken danach abgegeben worden sein.

Zum nächsten größeren Angebot kam es anlässlich der Versteigerung der berühmten Reitmeister-Sammlung am 18. Mai 1928 durch Heinrich Köhler in Berlin.

Hermann Reitmeister (1866–1925) war Besitzer einer ungewöhnlich spezialisierten Altdeutschland-Sammlung, die er bereits während des Ersten Weltkrieges und dann vor allem in der Inflationszeit verkaufte bzw. verkaufen musste. Lediglich seine Baden-Sammlung versuchte er weiter auszubauen. Diese erreichte eine bis dahin nicht gekannte Größe, die als Grundlage für ein leider nie erschienenes Baden-Handbuch gedacht war.

Neun Lose wurden unter dem Oberbegriff „Essais“ ausgerufen und zu Preisen zwischen 105 und 145 Reichsmark zugeschlagen. Neun Exemplare in einer solchen Riesensammlung – auch anhand dieser Verhältnisse wird die Seltenheit deutlich. Alle Stücke unterscheiden sich von denen des Danziger Angebots. Das Reichspostmuseum scheint sich damals also vollständig von seinen Dubletten getrennt zu haben. Leider weiß man nicht, auf welchem Weg Reitmeister in den Besitz dieser Stücke gelangte.

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg blieb das Angebot spärlich. Das einzig bekannte größere Auktionsangebot war die „Pforzheim-Sammlung“ des Karlsruhers Emil Hasenfratz, der sich beim Aufbau seiner Sammlung der Hilfe von Max Unverfehrt (1896-1978) und Carl Willadt (1869-1922), zweier ausgezeichneter Baden-Kenner, bedient hatte. Sie kam am 24. Januar 1995 im Rahmen der 285. Köhler-Versteigerung unter den Hammer und enthielt vor allem die sehr fragwürdigen 18 Kreuzer-Stücke, allerdings auch zwei blaue Exemplare zu 1 und 9 Kreuzer auf Chinapapier, einen Andruck der 3 Kreuzermarke sowie zwei Farbproben zu 3 Kreuzer rosa und gelblichbraun. Die Zuschläge lagen hier zwischen 800 und 1.000 DM.

In der großartigen Baden-Sammlung von Rolf Goldschagg, München (1930–2006) befanden sich ebenfalls etwa ein halbes Dutzend Stücke, deren Verbleib nicht bekannt ist. Auch Dr. Heinz Jaeger, Ehrenpräsident des BDPh, jahrzehntelanger Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Baden und einer der größten Baden-Kenner, konnte in seiner Sammlung vier Probedrucke vorweisen, die jedoch nicht im Band V der „Edition d’or“ enthalten sind, mit der seiner wunderbaren Sammlung zumindest teilweise ein Denkmal gesetzt wurde.

Die meisten Stücke wurden und werden im Privatverkauf weiter gegeben und erzielen Liebhaberpreise. Die Essais und Probedrucke sind im Baden-Handbuch II beschrieben, wer sich näher informieren will, dem sei das Buch empfohlen.
Beste Grüße
Michael Ullrich
28.08.14, 07:46:53

Roman Scheibert

(BPP-Mitglied)

Interessanter Bereicht, danke dafür!

Kann so Ein Essais mal gezeigt werden?
28.08.14, 14:57:41

Klesammler

(Mitglied)

Hallo Michael,

ein sehr interessanter Beitrag. Baden ist zwar nicht mein Sammelgebiet, aber alle, die sich ernsthaft mit diesem Gebiet beschäftigen, werden dir für diesen sehr informativen Beitrag dankbar sein.

viele Grüße vom Niederrhein

Dieter
28.08.14, 18:06:25

Hornblower

(Mitglied)

Besten Dank für das nette Feedback. Ich werde in den nächsten Tagen/Wochen nach dem Urlaub noch etwas hierzu einstellen. Alle bekannten Essais/Probedrucke sind im neuen Baden-Handbuch in Farbe abgebildet, dort kann man auch die Hintergründe nachlesen.

Beste Grüße
Michael Ullrich
28.08.14, 19:43:26

Hornblower

(Mitglied)

Das Großherzog-Friedrich-Essai von 1859

Im Herbst 1858 fasste man in Baden die Herstellung neuer Marken ins Auge, da die bisherigen Ziffernmarken nicht mehr dem sich gewandelten Geschmack entsprachen. Neben den drei von Friedrich Hasper (1796-1871) eingereichten Zeichnungen, die sich heute im Postwertzeichenarchiv befinden, existiert auch ein weitgehend unbekannter Entwurf mit dem Kopf des Großherzogs. Lindenberg erwähnt ihn in seinem Buch nur kurz.

Erstmals ausführlich erwähnt wurde das Essai im Dezember 1898 in einem Beitrag im „Postwertzeichen“ von Adolf Chelius (1856-1923) mit dem Titel „Badische Originalplatten“. Er schrieb.

„Als Baden im Jahre 1858 dem Gedanken näher trat, angeregt durch die teilweise schönen Bildnisse fremder Marken, seine Ziffernemission abzuschaffen, hatte der Hofbuchdrucker Hasper drei Zeichnungen mit dem badischen Wappen eingereicht, und die Direktion der Verkehrsanstalten schlug dem Ministerium des Großherzoglichen Hauses eine Änderung des Markenbildes vor, sei es durch Wahl des Landeswappens oder des Bildes des Großherzogs; gegen letzteres spräche jedoch die Schwierigkeit, in so kleinem Format ein auch nur annähernd ähnliches Bild anzufertigen. Es kam einer der drei oben erwähnten Entwürfe von Hasper und eine Gravüre mit dem Bild des Großherzogs im Profil – im Oval, umschlossen von einem Rechteck – zur Vorlage. Von diesem letzteren schreibt Direktor Lindenberg:
’Der Entwurf ist verlorengegangen’.
Dem ist aber nicht so, und zwar in seinem ganzen Umfang. Dies Essay, die Originalgravüre mit dem Bildnis des Großherzogs, befindet sich im Besitz des kaiserlichen Oberpostdirektors a.D. Deiniger in Darmstadt, der es seinerzeit laut mir persönlich gemachter Mitteilung für 20 fl. anfertigen ließ. Meine Absicht, dieses Essay der Sammlerwelt in Abbildung vorzuführen, scheiterte an der Weigerung Deiningers, der unter nichtigem Vorwand selbst die leihweise Herausgabe behufs Publikation im „Postwertzeichen“ versagte und Briefe von Freund Brummer und mir – ohne Rückgabe des Retourportos – einfach unbeantwortet ließ, ein eigentümliches Gebaren eines alten Beamten, das wir hier nicht weiter kennzeichnen wollen.“

Über den Verbleib des Originalstempels gibt folgender Bericht in der DBZ Aufschluss:

Badische Druckstempel. In der Dezember - Nr. des „Postwertzeichens“ teilte Herr A. Chelius in München mit, dass es ihm gelungen sei, in Darmstadt im Besitze des Herrn Oberpostdirektors a.D. Deininger 4 Satzstücke (Cliches) zum Druck der ältesten badischen Marken zu 9 Kreuzer aufzufinden und zwei von diesen Essais für seine Spezialsammlung von Baden zu erhalten. Ferner berichtete er, dass sich Herr Deininger im Besitze der „Originalgravüre“ zu dem in der Lindenbergschen Arbeit über die Briefmarken von Baden S. 69 erwähnten Essai mit dem Kopfe des Großherzogs befinde. Herr Oberpostdirektor Deininger, der s. Z. als badischer Postkommisaar bei der Herstellung der badischen Marken eine hervorragende Rolle gespielt hat, hat die erwähnten vier Satzstücke, die im Drucke beschädigt und daher nicht mehr zu verwerten waren, von dem mit dem Drucke der Marken beauftragten Hofbuchdrucker Hasper in Carlsruhe zum Andenken erhalten und sie nahezu 40 Jahre aufbewahrt, bis er zwei von ihren Herrn Chelius gab, der, wie wir sicher annehmen, dafür Sorge tragen wird, dass diese wertvollen Stempel für alle Zeiten vor jeglichen Missbrauch geschützt sind. Die beiden anderen Cliches hat Herr Deininger dem Reichspostmuseum zum Geschenk überwiesen, wofür ihm der Dank nicht nur der Postverwaltung, sondern auch aller Philatelisten gebührt. Ebenso hat er den Probestich (die Originalgravüre) mit dem Brustbild des Großherzogs von Baden dem Reichs-Postmuseum zum Geschenk gemacht. Diesen Entwurf hat Herr Deininger im Jahre 1859 für seine eigene Rechnung anfertigen lassen und, da der Entwurf Allerhöchst nicht genehmigt wurde, behalten und aufbewahrt. Wir freuen und, dass durch die hochherzigen Geschenke des verdienten alten Beamten die Stempelsammlung des Museums um einige so wertvolle Schätze bereichert ist.“

Gottlieb Deininger (1819-1904) war der Postbeamte gewesen, der den Markendruck bei Hasper zu überwachen hatte. Sowohl die beiden 9-Kreuzer-Klischees als auch der Entwurf befinden sich noch heute im Besitz des Museums für Kommunikation.

Allem Anschein nach hat es aber auch den Weg in die Öffentlichkeit gefunden, denn Heinrich Köhler (1881-1945) ließ zu einem unbekannten Zeitpunkt (wahrscheinlich in den 20er Jahren) Nachdrucke vom Siegelabdruck des Originalessais als Kleinbogen zu je vier Marken in den Farben zitronengelb, chamois, rosa und hellgrün im Steindruck herstellen. Die einzelnen Marken sind jeweils 18 x 22 mm groß, der Kleinbogen selbst misst 102 x 143 mm. Auf der Rückseite jedes Stückes ist folgender Aufdruck angebracht:

Privatreproduktion
von dem nur im
SIEGELABDRUCK
aufgefundenen
ORIGINALESSAI

Heinrich Köhler
Berlin W 8
Friedrichstraße 186

Ein weiterer Kleinbogen existiert in kleinerem Format und der Farbe hellbraun, dieser weist keinen rückseitigen Aufdruck auf. Die Reinzeichnung des Essais in Großformat auf Seidenpapier ist ebenfalls erhalten geblieben. Sie wurde auf einer Köhler-Auktion 1982 für 1.000,-- DM ausgerufen, der Zuschlagpreis ist mir unbekannt.

Leider war bis jetzt noch nicht festzustellen, in welcher Auflage diese Stücke hergestellt wurden. Badische Essais sind bekanntermaßen sehr selten, selbst die berühmte Schrödersche Essai-Sammlung, die um die letzte Jahrhundertwende existierte und anerkanntermaßen als die umfangreichste Sammlung dieser Art galt, verfügte über kein einziges Exemplar. Heinrich Fraenkel stellte dieses bereits in seiner entsprechenden Buchbesprechung fest und verwies darauf, dass die badischen Essais nur in einer Auflage von jeweils zwei Exemplaren hergestellt worden seien.

Von diesem Nachdruck muss es allerdings mehr geben, denn Doberer bewertet sie in seinem Werk mit lediglich 2 Punkten. Allerdings sind sie mittlerweile seit Jahren nicht mehr am Markt.

Wer also die Gelegenheit erhält, ein Einzelstück oder gar einen Kleinbogen dieses interessanten Essais für seine Sammlung zu erwerben, kann damit ein für die philatelistische Entwicklung Badens sehr interessantes Stück sein Eigen nennen. Leider kann ich das dazugehörende Bild nicht hochladen, es ist zu groß.

Quellen:
Das Postwertzeichen, 1898, Nr. 12 „Badische Originalplatten“
Deutsche Briefmarken-Zeitung, 1899, S. 29 „Badische Druckstempel“
Deutsche Briefmarken-Zeitung, 1904, S. 9 „Ein neues Buch über Essais“
Doberer, Kurt Karl: Essais und Probedrucke altdeutscher Staaten, Nürnberg 1963
Lindenberg, Carl: Die Postwertzeichen von Baden, Berlin 1894
Theuss, Peter U.: Postwertzeichen und Ganzsachen – Entwürfe, Essais, Probe- und Sonderdrucke Deutschland 1849 – 1932, 2. Band Deutsche Staaten, Toronto o.J.
Ullrich, Michael: Entwürfe, Essais, Druck- und Farbproben des Großherzogtums Baden, Eppelheim 1995

29.08.14, 12:34:54
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